Freitag, 13. Juni 2008

alte fotografien




früher trug sie (im winter) eine flache ovale mütze aus schwarzem lammfell - etwas schräg, wie stewardessen - dazu einen dünnen grauen mantel mit schmalem kunstfellkragen und stiefel auf hohen absätzen. damit sah sie etwas streng aus, aber eigentlich war es ihr einfach nur kalt. sie trug immer lippenstift, ohne den erkannte selbst ich sie kaum wieder. auf den fotos nahm sie posen der rennaissance-diven an, aber es wirkte  natürlich, ungezwungen und graziös, alle anderen sahen neben ihr nur plump aus, steif und hölzern. sie war wie eine kleine balerina unter  dorfmädchen, obwohl sie nie tanzunterricht hatte, im gegenteil, nicht mal von ihren freundinnen hat sie es geschafft ein paar modische "moves" abzuschauen und servierte auf parties die kerle ab nur um nicht mit ihnen tanzen zu müssen.
sie hatte immer einfache schlecht bezahlte berufe, aber sie konnte sich nie unters einfache volk mischen, selbst wenn sie wollte, sie wirkte wie ein schlecht getarnter spion. sie gehörte nie so richtig dazu, obwohl es ihr keiner beigebracht hat, so anders zu sein.
mir wurde es dagegen systhematisch unterrichtet, nämlich von ihr. sie kleidete mich anders ein - nach ihrem geschmack, sie brachte mir benimmregeln bei, die sonst keiner kannte. ich muss sagen, ich leide immer noch darunter,  und ich frage mich ab und zu, warum ließ sie mich nicht so werden wie alle anderen - das wäre doch viel einfacher für mich. sie, die immer anders war, hätte doch wissen müssen, wie hart es ist, sich von den anderen zu unterscheiden? warum musste ich das gleiche wie sie nochmal durchmachen? vllt ist es ein zwang, ich glaube sogar, das kommt von ihrem vater...
aber dann hieße es, dass sie nichts dafür konnte, dass wirs einfach in uns haben, in den genen, oder wo auch immer.. wir sind auch untereinander nicht gleich, nicht mal ähnlich. gemeinsam haben wir nur unsere andersartigkeit.