früher trug sie (im winter) eine flache ovale mütze aus schwarzem
lammfell - etwas schräg, wie stewardessen - dazu einen dünnen grauen mantel mit
schmalem kunstfellkragen und stiefel auf hohen absätzen. damit sah sie etwas
streng aus, aber eigentlich war es ihr einfach nur kalt. sie trug immer
lippenstift, ohne den erkannte selbst ich sie kaum wieder. auf den fotos nahm
sie posen der rennaissance-diven an, aber es wirkte natürlich,
ungezwungen und graziös, alle anderen sahen neben ihr nur plump aus, steif und
hölzern. sie war wie eine kleine balerina unter dorfmädchen, obwohl
sie nie tanzunterricht hatte, im gegenteil, nicht mal von ihren freundinnen hat
sie es geschafft ein paar modische "moves" abzuschauen und servierte
auf parties die kerle ab nur um nicht mit ihnen tanzen zu müssen.
sie hatte immer einfache schlecht bezahlte berufe, aber sie konnte
sich nie unters einfache volk mischen, selbst wenn sie wollte, sie wirkte wie
ein schlecht getarnter spion. sie gehörte nie so richtig dazu, obwohl es ihr
keiner beigebracht hat, so anders zu sein.
mir wurde es dagegen systhematisch unterrichtet, nämlich von ihr.
sie kleidete mich anders ein - nach ihrem geschmack, sie brachte mir
benimmregeln bei, die sonst keiner kannte. ich muss sagen, ich leide immer noch
darunter, und
ich frage mich ab und zu, warum ließ sie mich nicht so werden wie alle anderen
- das wäre doch viel einfacher für mich. sie, die immer anders war, hätte doch
wissen müssen, wie hart es ist, sich von den anderen zu unterscheiden? warum
musste ich das gleiche wie sie nochmal durchmachen? vllt ist es ein zwang, ich glaube sogar, das kommt von ihrem
vater...
aber dann hieße es, dass sie nichts dafür konnte, dass wirs einfach in uns haben, in den genen, oder wo auch immer.. wir sind auch untereinander nicht gleich, nicht mal ähnlich. gemeinsam haben wir nur unsere andersartigkeit.